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Festansprache Seite 2

Wenn man über die Vergangenheit spricht, dann muss man aber auch feststellen, dass nicht nur die organisatorische Seite der Gemeinde- und Kommunalpolitik ein Erfolg geworden ist, sondern auch die inhaltlichen Aufgaben. Unsere Infrastruktur im Land ist sehr viel besser geworden. Sie ist keineswegs fertig und es gibt noch viele Defizite. Aber dass sie besser geworden ist, lässt sich überhaupt nicht bestreiten und viele Besucher aus den alten Bundesländern haben, weil sie längere Zeit nicht hier waren, ein sehr viel deutlicheres Urteil für die Veränderungen als wir, die wir diese Veränderungen dauernd miterleben und damit eigentlich als einen selbstverständlichen Entwicklungsprozess begreifen. Die Infrastruktur hat sich verbessert, unsere Gemeinden sind schöner geworden. Jeder, der durch Sachsen reist, bemerkt das und erfreut sich daran. Wir wissen auch, dass in den wirtschaftlich schwächeren wie in den wirtschaftlich stärkeren Gebieten noch viel zu tun ist. Aber die Lebensqualität in Sachsen, die durch das Leben in der Stadt und der Gemeinde ganz entscheidend mitbestimmt wird, hat sich nachhaltig verbessert. Sie hat sich durch die Leistung derer, die in der Gemeinde und im Landkreis Verantwortung tragen, nachhaltig verbessert. Sie hat sich aber auch Dank der Unterstützung, die wir aus Westdeutschland bekommen haben, nachhaltig verbessert. Ich meine, dass es zur Bilanz auch gehört dies festzustellen. Hier spreche ich nicht nur von der finanziellen Unterstützung, sondern auch von hunderten von Patenschaften zwischen Gemeinden hier und Gemeinden in Westdeutschland. Von Menschen, die zum Teil nach ihrer Pensionierung hierher gekommen sind und in Bürgermeister- und Landratsämtern und anderswo eine helfende Hand gereicht haben, wenn es darum ging sich in ein kompliziertes System einzuarbeiten, das eine Wachstumszeit von damals rund 40 Jahren hatte und das wir hier in Ostdeutschland ja in seiner Entstehung nicht nachvollziehen konnten. Wir waren, wenn ich das so sagen darf, auf der kommunalen Ebene und auch auf der Landesebene in einer ähnlichen Situation, wie die Beitrittskandidaten zur Europäischen Union es jetzt sein werden, wenn sie den Acqui communitaire unterschreiben, und damit ein Regelwerk von 80.000 Seiten übernehmen und anwenden müssen, ohne je an der Entstehung dieses Regelwerks beteiligt gewesen zu sein. Es ist eine große, nicht nur administrative, sondern auch kulturelle Leistung ein solches Regelwerk zu akzeptieren und umzusetzen und damit auf neue Weise mit Leben zu erfüllen.

Was mich in den ersten Jahren des Wiederaufbaus des Freistaates Sachsen beeindruckt hat, war die Fähigkeit zur Improvisation. Ich habe schön öfter im Rückblick auf die Entwicklung in Westdeutschland gesagt, es war ein Glück, dass unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht alles verstanden haben, was sie anwenden sollten. Denn wenn sie das alles verstanden hätten, wären sie so voller Skrupel gewesen überhaupt noch etwas zu entscheiden, dass die Entwicklung mit Sicherheit nicht so verlaufen wäre, wie sie verlaufen ist. Dass bei diesen Entscheidungen auch Fehlentscheidungen getroffen wurden, liegt in der Natur der Sache. Wir haben damals in der Staatsregierung zusammen gesessen und gesagt, wenn wir 51 Prozent richtig entscheiden, sind wir gut und wenn wir 75 Prozent richtig entscheiden, sind wir sehr gut. Denn keiner von uns wusste, was nun wirklich die richtige Entscheidung ist, wie die Prioritäten zu setzen sind. Die ganzen Fragen, die innerhalb eines Haushalts und innerhalb der Gemeindepolitik entschieden werden mussten, waren ja ohne jedes Vorbild zu entscheiden. Der schöne deutsche Verwaltungssatz, dass man nach der vorhandenen Vorlage entscheidet und sich am Vorgang orientiert, was eine große Kontinuität sichert, aber auch die Unfähigkeit sich zu verändern beinhaltet, hat eben hier nicht gegolten. Die Vorgänge waren nicht vorhanden. Und deshalb musste man improvisieren und man hat improvisiert. Manchmal bedauere ich es heute, dass die Möglichkeit zu improvisieren so zurückgegangen ist und dass wir dadurch auch einen Rückschritt oder jedenfalls ein Defizit haben. Wenn die Improvisation mit Risiken belastet wird, die man nicht mehr übersehen kann, dann improvisiert man nicht mehr. Und wenn jetzt nachträglich, und das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit sagen, Rechnungshöfe oder andere aus dem Westen kommen und uns vorrechnen, was wir 1990, 91, 92 falsch gemacht haben, dann empfinde ich das als Anmaßung. Es ist eine Anmaßung, weil diejenigen, die heute solche Urteile fällen, keine Ahnung von den Schwierigkeiten und den Herausforderungen haben, die damals Frauen und Männer ohne jede Vorbildung für das spezifische Amt und ohne jede Erfahrung mit einer Selbstverwaltung bewältigen mussten. Ganz im Gegenteil bin ich der Meinung - und so haben wir uns ja auch in einigen Fällen, in denen Fehlentscheidungen aufgetreten sind, verhalten, die man nachträglich reparieren musste -, dass es nicht darauf ankommt jetzt nach Schuldigen zu suchen, sondern dass es darauf ankommt Fehler zu beseitigen und nicht wieder zu machen. Und so haben wir das damals auch gesehen. Wenn ich Gelegenheit hatte, habe ich es jedenfalls im Kabinett und in der Fraktion von Anfang an immer wieder gesagt, dass es nicht darum geht, ob man Fehler macht, sondern darum, ob man daraus lernt und sie dann in Zukunft vermeidet. Der Lernprozess war das Entscheidende und dieser Lernprozess war auf der kommunalen Ebene außerordentlich erfolgreich. Die Entwicklung des Freistaates Sachsen in der Vergangenheit zu betrachten ist eine Sache, die Frage zu stellen, was denn nun in den nächsten zehn Jahren der Existenz - nicht nur Ihres Vereins, sondern des Landes und Deutschlands - geschehen könnte, die andere. Was unsere Herausforderungen sein werden, ist das Zweite, dem ich mich zuwenden möchte, wenigsten in Bezug auf einige wichtige Punkte.

Wir dürfen nicht fragen, vor welchen Problemen werden wir denn stehen, sondern besser: vor welchen Herausforderungen. Darf ich den Unterschied durch eine kleine Anekdote deutlich machen: Eine unserer ersten Kabinettssitzungen außerhalb Dresdens war in Weißwasser und es war so üblich, dass der Bürgermeister oder der Oberbürgermeister einer Stadt uns begrüßt und ganz kurz über seine Stadt referiert. Der damalige Bürgermeister von Weißwasser hat sein Referat mit der Formulierung begonnen: "Ich habe keine Probleme, ich habe nur Aufgaben." Das hat mir sehr gut gefallen und ich habe es oft zitiert. Also reden wir nicht über die Probleme, sondern über die Aufgaben. Welche Aufgaben haben wir? Wir haben naturgemäß zunächst einmal die selbstverständliche Aufgabe unsere kommunale Verwaltung, unsere Kommunen, unsere Landkreise weiter zu entwickeln und dabei Prioritäten zu setzen. Und das unter Bedingungen, die nicht einfach sind, nämlich unter den Bedingungen äußerst knapper Kassen. Wir haben keine Aussicht - das will ich hier ganz deutlich sagen - das Gesamtvolumen des Landes nennenswert zu erhöhen, wenn überhaupt. Wir haben mit dem Solidarpakt II einen Rahmen bis 2019 bekommen. Dieser Rahmen ist bis zum Jahre 2008 großzügig geschneidert und wird danach abnehmen. Das heißt, die Zuwendungen aus den unterschiedlichen Quellen, die wir erhalten, werden zurückgehen mit der Folge, dass wir insgesamt weniger Geld nominal, und damit natürlich auch real zur Verfügung haben, wenn nicht in der gleichen Zeit die Steuerkraft des Landes und der Gemeinden so wächst, dass dieser Rückgang ausgeglichen wird. Ob das gelingt, ist äußerst unklar. Wir können jedenfalls nicht selbstverständlich davon ausgehen. Deshalb ist es vernünftig die zukünftige Entwicklung der Gemeindefinanzen, und das ist nun einmal der Schlüssel der gemeindlichen Regierungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, mit der Entwicklung des Freistaates in der Projektion so zu betrachten, dass wir im günstigsten Falle eine reale Konstanz haben werden, das heißt in der Lage sein werden, die Geldentwertung auszugleichen. Aber auch das ist nicht sicher. Gleichwohl, wir haben Planungssicherheit. Auch diese Grenzen, die uns gesetzt sind, tragen zu dieser Sicherheit bei. Gleichzeitig ist dieser Prozess ein Ansporn sich mit der Frage zu befassen, wie man mit den gleichen Mitteln mehr erreichen kann. Das ist für uns keine neue Fragestellung. Im Jahr 1993, nach der Verabschiedung des ersten Solidarpakts, habe ich dem Landtag über das Ergebnis des ersten Solidarpakts berichtet und dabei dasselbe festgestellt, was ich eben gesagt habe, dass wir voraussichtlich keine wesentliche Steigerung haben werden, weil wir in einen damals noch größer als heute erscheinenden Anzug hinein wachsen. Das heißt, wenn wir Steuermehreinnahmen haben, gehen die Zuwendungen zurück. Die Folge ist, dass wir auch damals von einer relativen Konstanz der Haushaltvolumina ausgehen mussten. Als wir bereit waren, was wir bereit waren zu tun und was Dank der Mitwirkung des Landtags auch möglich war, nämlich die Neuverschuldung zu begrenzen und sogar ein Stück zurück zu fahren, bedeutete das, wenn wir mehr haben wollen, müssen wir mit den gleichen Mitteln mehr erreichen. Oder anders formuliert, wir müssen sie intelligenter ausgeben. Unser Haushaltzuwachs ist kein Zuwachs an Geld, sondern ein Zuwachs an Intelligenz. Mit anderen Worten, wir müssen uns darauf konzentrieren mit den gleichen Mitteln besser zu wirtschaften. Das ist für jeden von ihnen und für alle Gemeinden in Sachsen eine allgemein gleiche, aber in concreto höchst unterschiedliche Aufgabe, denn die Gemeinden haben sich unterschiedlich entwickelt. Sie sind unterschiedliche Verbindlichkeiten eingegangen, sie haben sich unterschiedlichen Aufgaben gestellt oder sie übernommen. Es bedeutet jedoch, dass wir bei allen unterschiedlichen Meinungen, bei allen Auseinandersetzungen über die Verteilung der öffentlichen Mittel doch immer wieder bemüht sind gemeinsam für das Land den richtigen Weg zu finden. Dafür bedanke ich mich sehr: für die Zusammenarbeit mit dem Städte- und Gemeindebund, mit dem Landkreistag und mit kommunalen Vertretern auf den Ebenen der jeweiligen Regionen. Wir müssen uns, wenn wir über die Zukunft und unsere Leistungsfähigkeit in der Zukunft reden, an dem Grundsatz orientieren, den wir in den letzten zehn Jahren schon unserer Arbeit zu Grunde gelegt haben, nämlich die Feststellung, dass die Zukunft des Freistaates Sachsen inhaltlich auf drei Säulen beruht: einer leistungsfähigen Wirtschaft, einer leistungsfähigen Wissenschaft und der Kultur. Ich habe diese drei Elemente immer im Ergebnis für gleich wichtig gehalten, wenn wir auch ganz unterschiedliche Aufwendungen dafür machen. Ich will das mit wenigen Sätzen erläutern.